Ein Gastbeitrag von der Psychotherapeutin Anke Glaßmeyer.
Wenn Du Dir diesen Guide anschaust, dann bist Du wahrscheinlich auf der Suche nach
einem Therapieplatz. Ich kann dir diesen zwar nicht herzaubern, aber ich möchte dir auf den
kommenden Seite Tipps geben, wie Du schneller an einen Platz kommen kannst und was Du in der
Zwischenzeit für Angebote nutzen kannst. Dazu springen wir in meinen Alltag als Psychotherapeutin:
Es ist Montagmorgen 9 Uhr im Jahr 2018. Mein Handy klingelt. Ich gehe ran und es meldet sich eine
aufgelöste junge Frau, die mir von ihren Problemen berichtet und verzweifelt auf der Suche nach
einem Therapieplatz ist.
Ich höre ihr aufmerksam zu und sage ihr, dass ich freie Plätze habe, da ich gerade neu approbiert bin.
Ich frage sie, wie sie versichert ist.
„Gesetzlich“, sagt sie.
Ich schlucke. „Es tut mir sehr leid, dann kann ich leider nichts für Sie tun. Ich habe keinen Kassensitz
und darf nur Selbstzahler:innen und Privatpatient:innen behandeln“, entgegne ich.
Erst folgt ein kurzes Schweigen und dann bricht die Frau in Tränen aus, denn sie hat schon bei 27
Therapeut:innen angerufen und dort nur zu hören bekommen, dass die Wartezeit auf einen freien
Platz mehrere Monate beträgt.
Ich bin ehrlich: ich hasse diese Situationen.
Die durchschnittliche Wartezeit auf einen Psychotherapieplatz beträgt aktuell laut
Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) 19,9 Wochen. Also fast 5 Monate.
Lass die Zahl mal auf dich wirken.
Für Patient:innen ist dies meiner Meinung nach eine Zumutung und dabei gibt es genug
Psychotherapeut:innen. Nur nicht genug Kassensitze (komplexe Geschichte- würden den Rahmen des
Beitrags sprengen).
Um die monatelangen Wartezeiten auf eine psychotherapeutische Behandlung, besonders in schlecht
versorgten Regionen, zu verkürzen sind laut BPtK-Berechnungen rund 7.000 zusätzliche
Psychotherapeut:innenpraxen notwendig.
An Therapeut:innen fehlt es allerdings nicht. Die gibt es fast wie „Sand am Meer“. Nur halt keine
Kassensitze. Diesen benötigt man allerdings, um mit den gesetzlichen Krankenkassen abzurechnen.
Kommen wir zurück zum Telefonat: Ich berate die Anrufenden immer und gebe Tipps, wie sie die
Therapieplatzsuche vielleicht verkürzen können.
Diese Tipps möchte ich hier mit dir teilen.
1. Rufe die Terminservicestelle (TSS) deines Bundeslandes an
Seit dem 01.04.2018 vermittelt die TSS dir innerhalb von 4 Wochen einen
Sprechstundentermin bei Psychotherapeut:innen mit Kassensitz. Das ist dann natürlich oft
nicht der/die Wunschtherapeut:in aber besser als nichts. Dieser Termin dient zur Beratung,
Information, Klärung des individuellen Behandlungsbedarfs, einer ersten Diagnosestellung und
dementsprechenden Behandlungsempfehlung. Ihr solltet euch jedoch bewusst sein, dass dies
nur ein Termin und keine Garantie auf einen Therapieplatz ist. Ich habe schon oft von
Kolleg:innen gehört, dass Patient:innen wütend aus der Praxis raus sind, weil sie etwas anderes
erwartet haben.
2. Rufe bei deiner Krankenkasse an
Deine Krankenkasse hat oft eine Liste mit Psychotherapeut:innen in deiner Region, welche dir
die Sachbearbeiter:innen gerne zuschicken. Diese Liste solltest Du dann fleißig abtelefonieren
und nicht nach 4 Anrufen aufgeben. Ich habe dich ja vorgewarnt.
3. Spreche mit deinem Hausarzt und frage, ob er einen Psychotherapeuten kennt
Dein:e Hausärzt:in kennt dich wahrscheinlich recht gut und hat auch Kontakt zu ortsansässigen
Psychotherapeuten. Oft arbeiten diese Berufsgruppen zusammen und da kann es hilfreich
sein, wenn dein:e Ärzt:in auch die Augen und Ohren nach einem freien Platz offenhält.
4. Rufe bei Ausbildungsinstituten in deiner Umgebung an
Wenn man Psychotherapeut:in werden möchte muss man nach dem Hochschulstudium noch
eine 3-5-jährige Zusatzausbildung machen. In dieser Zeit arbeitet man in der Klinik, aber eben
auch ambulant. Institute haben oft extra Ambulanzen, in denen die angehenden
Psychotherapeut:innen unter Supervision ihre Patient:innen behandeln. Dort sind also viele
baldige Therapeut:innen an einem Fleck, was bedeutet, dass es auch viele
Psychotherapieplätze gibt. Und das ist deine Chance! Die Wartezeit ist dort meist deutlich
kürzer.
5. Google deinen Wohnort und „psychologischer Psychotherapeut“
Wenn die Liste der Krankenkasse keinen Erfolg gebracht hat oder Du keine Lust hast zu warten,
bis der/die Briefträger:in kommt, dann google deinen Wohnort und „psychologische:r
Psychotherapeut:in“. Das ist wichtig, denn dieser Begriff ist rechtlich geschützt und
gewährleistet dir, dass der/ die Therapeut:in eine Approbation und somit eine gute Ausbildung
genossen hat. Ob er dann auch ein:e gute:r Therapeut:in ist- das ist natürlich eine andere
Frage.
6. Therapie.de
Gebe deinen Wohnort bei https://www.therapie.de/ ein. Auf dieser Plattform können sich
Psychotherapeut:innen anmelden. Es werden dir die Therapeut:innen in deiner Nähe
angezeigt und Du erfährst einiges zur Person. Es nimmt meist etwas die Angst, wenn man
schon weiß, wie die Person aussieht, mit der man in Zukunft eventuell über seine Probleme
sprechen will.
7. Gehe auf die Homepage der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) deines Bundeslandes
Bei der KV kannst Du ebenfalls in das Suchfeld deine Angaben eingeben und findest
Psychotherapeuten in deiner Nähe
Das wären ein paar Tipps, wie Du an Adressen und Telefonnummern kommst. Aber ich habe noch mehr
für dich:
8. Warte nicht zu lange!
Viele Betroffene warten, bis fast nix mehr geht und machen sich erst dann auf die Suche nach einer:m Psychotherapeut:in. Aber je eher Du dir Hilfe suchst, desto schneller geht es dir auch besser.
9. Rufe an und fahre nicht persönlich in die Praxis hin
Wir Psychotherapeut:innen sind während unserer Arbeitszeit meist durchgängig in
Patient:innengesprächen und dann ist es eher störend, wenn mittendrin die Tür klingelt. Jede:r Therapeut:in hat aber telefonische Sprechstunden und vielleicht findest Du sogar eine
Emailadresse im Internet heraus. Dann kannst Du auch eine Mail schicken.
10. Lasse dich auf alle Wartelisten bei Psychotherapeuten setzen
Auf je mehr Listen Du stehst, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit einen Platz zu bekommen.
11. Lass nicht locker!
Rufe bei den Therapeut:innen, bei denen Du auf der Warteliste stehst, immer mal wieder an
und erkundige dich, ob ein Platz frei geworden ist. Manchmal hat man Glück und jemand
anderes hat gerade 5 Minuten vorher mitgeteilt, dass er schon einer:m anderen Therapeut:in
gefunden hat. Das könnte eventuell deine Chance sein.
12. Achte auf eine Kassenzulassung!
Das ist wichtig, damit die Kosten auch von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen werden.
13. Einmal ist keinmal!
Gehe mindestens zwei Mal zur:m gleichen Therapeut:in und werfe nicht, weil er/ sie beim
ersten Termin etwas komisch war, direkt die Flinte ins Korn- auch Psychotherapeut:innen
haben mal einen schlechten Tag.
14. Verbeiße dich nicht zu sehr in ein Therapieverfahren (z.B. Verhaltenstherapie, ...).
Studien zeigen, dass gar nicht so sehr das Verfahren, sondern vielmehr die therapeutische
Beziehung zwischen Patient:in und Psychotherapeut:in der wichtigste Wirkfaktor in einer
Psychotherapie ist.
15. Onlineangebote
Zur Überbrückung der Wartezeit kommt zum Beispiel eine psychologische Onlineberatung in
Frage, um eine Verschlimmerung der Symptomatik oder eine Chronifizierung zu verhindern.
Falls Du daran Interesse hast findest Du hier mehr zu meinem Angebot
https://www.ankeglassmeyer.de/onlineberatung/
16. Wende dich an Beratungsstellen
Diese können in der Wartezeit auf deinen Therapieplatz ebenfalls entlastende Gespräche
anbieten. Bei der Caritas ist es z.B. kostenlos.
In Krisen kannst Du dich auch an folgende Telefonnummern und Angebote wenden:
17. Notruf
112 oder 110
18. Telefonseelsorge (kostenlos; 24h erreichbar)
0800 111 0 111 oder 0800 111 0 222 oder 116 123
19. Nummer gegen Kummer (Kostenlos: montags – samstags von 14 - 20 Uhr)
116 111
20. U25 Deutschland (kostenlose Mailberatung)
25-deutschland.de
21. Jugendnotmail (kostenlose Mailberatung)
jugendnotmail.de
Das wären nun meine Tipps und Tricks, wie Du schneller an einen Therapieplatz kommen und was Du
in der Zwischenzeit tun kannst. Wenn Du weitere Tipps oder Anmerkungen hast, dann würde ich mich
sehr über ein Feedback freuen.
Ich drücke Dir die Daumen, falls Du auf der Suche bist und sonst gibt es zukünftig in deinem Umfeld
sicher jemanden, dem Du den Beitrag empfehlen kannst.
Hab einen feinen Tag!
Deine Anke
Über die Autorin
Anke Glaßmeyer
Anke Glaßmeyer ist psychologische Psychotherapeutin mit eigener Praxis im Münsterland. Ihre eigenen Erfahrungen mit psychischen Herausforderungen in jungen Jahren prägten ihren Berufswunsch.
Entschlossen, es besser zu machen als ihre eigenen Therapeuten, verfolgte sie konsequent das Ziel, Psychotherapeutin zu werden und andere Menschen in Belastungssituationen und Krisen zu unterstützen.
In ihrer Freizeit widmet sie sich Kraftsport, CrossFit, Büchern und ihrem Podcasts.
www.ankeglassmeyer.de